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Schlemmen in Jesserndorf - Das "Der Weingarten"

Große Dinge werfen ihre Schatten weit voraus. Entsprechend sollte auch die Reservierung Wochen vorher im "Der Weingarten" getätigt werden. Denn: Wenn voll besetzt - dann voll besetzt. In diesem Fall heißt das, dass für weniger als 40 Leute Sitzplätze in der guten Stube existieren. Und das ist so gewollt und der Kapazität der Küche angepasst.

Überhaupt ist hier der ursprüngliche Sinn der "SLOW FOOD"-Bewegung nicht nur angekommen, er wird gelebt. Die Wirte reisen und finden. Besondere Speisen, besondere Weine, besondere Zutaten. Nur das, was auch dem eigenen, sehr hohen Anspruch entspricht, wird dem Kunden auf den Teller gesetzt.

Vorab einen besonderen Danke an Herrn Günter. Herr Günter war für diesen Abend nicht nur der Ober, er war auch derjenige, der den Kunden erkennt, seine Vorlieben errät und mit Humor und Hingabe berät. Nicht aufschwatzt, sondern dem Kunden rät. Das ist selten geworden und daher umso mehr anzuerkennen. Küche und Service harmonieren und arbeiten mit Herzblut.

Zur Lage. Jesserndorf, selbst mir als gebürtigem Franken unbekannt. Ziemlich genau 30 Minuten Fahrtzeit, durch das auch weithin bekannte Ebern hindurch, über Stock und Stein, und da liegt das Dörfchen plötzlich. Ein Idyll, wer nicht gezielt sucht (oder von der Navi geleitet wird), der findet dieses gastronomische Goldstück nur schwer.

Parkplätze befinden sich direkt am Restaurant, vorbei an der dazugehlörigen Keramikwerkstatt, linker Hand. Ein kleiner Wintergarten, eine noch kleinere Küche. Schon beim ersten barrierefreien Betreten fällt der Stress des Alltags ab. Was vielleicht auch an der Klientel liegt: Durchaus gutbetuchte Gäste, die hier eine Erholung vom Beruf und dem Trott der Woche suchen. Fehl am Platz sind hier Food-Junkies, die auf ein schnelles Schnitzel in der Dorfkneipe hoffen. Grund: Gibt´s nicht. Was auch gut so ist. Hierher kommen Menschen, die sich im mittleren Alter befinden und keinen Wert auf Trubel und Massenabfütterung legen.

Die Getränkepreise sind mehr als human, 2,30 € für einen Krug (0,5 Liter - 4,60 €/Liter) Mönchsambacher Lagerbieres. Auch die guten Limonaden von Voelkel werden angeboten, schön, dass auch hier ein anderer, sehr guter Weg beschritten wird.

Die Karte ist das, was ich liebe. Klein, fein, durchdachte Kombinationen, ohne dem Drang, um Alles in der Welt Aufsehen zu erregen.

Ein kleiner Gruß aus der Küche machte den Auftakt. Sehr gutes, ciabattaähnliches Weißbrot, dazu ein Schälchen mit einer Senf-Curry-Soße zum dippen. Schöner Beginn.

Es folgten die Vorspeisen, "Ziegenfrischkäse klassisch, überbacken mit Knoblauch, Kräutern, Tomaten". Knapp unter 8 €, fairer Preis, wenn man das geäußerte Lob bedenkt. Auch die "Fagotti mit Ricotta-Ruccola-Fülung mit Salbeibutter und Parmesan" wurden ebenfalls gerne goutiert.

Ich entschied mich an diesem Abend für "Rote-Bete Panna-Cotta mit geräucherter Forelle und Wildkräutersalat". Dafür 9 € sind ein sehr angemessener Betrag. Das Panna-Cotta fein im Geschmack, der erdige Ton der Bete im Hintergrund, cremig im Mundgefühl und ein leichter Hauch von Kümmel. Eine für mich hervorragende Kombination, dazu endlich einmal wirklich knusprige Apfelchips, eine Rote-Bete-Waffel und ein Wildkräutersalat, der zudem mit einer sehr feinen Vinaigrette umspielt war. Würfel von Rote-Bete und einem kräftigen, das Ganze abrundendem Schwarzbrot. Diese Vorspeise eröffnete den Reigen der Genüsse. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Forelle keine der versalzenen oder gar überwürzten Art war. Fisch, der auch nach Fisch und nicht nach Industrierauch schmeckt.

Weiter ging es mit den Hauptspeisen. "Alte Wutz" wurde geliefert. oder auch "Dry aged Kotelett vom Schwäbisch Hällischen (400 g(!)), mit Kartoffel- und Blattsalat". Man verzeihe mir bitte den Ausdruck: "AAAAALDA SCHWEDE!". Nie war ich näher daran, Mundraub zu begehen. Perfekte Zubereitung, natürlich (oder leider auch in unserer Region NICHT MEHR natürlich) selbst zubereitet. Dieser Tischnachbar liebt beruflich Lebensmittel und kann dies - auch als Händler von eben dieser Fleischart - gut einschätzen, ob das Fleisch "taugt". Und ja, auch hier kamen nur lobende Worte. Angesichts der schieren Menge Fleisch sind 29,50 € für diese Portion reell und angemessen.

Als nächstes kam die "Kalbsleber mit Portwein-Sauce, Zwiebel, Kartoffelpüree und Blattsalat, dem Vernehmen nach schmackhaft und auch in ausreichender Portion. Leider war diese Begleiterin in Sachen Essen etwas wortkarg, aber ich denke, der fränggische Sads "Bassd scho" hätte durchaus fallen können.

Wir drei Anderen entschieden uns für das "Rinderfilet". Offeriert mit "Portweinsauce, Pilzravioli und Blattsalat.22,50 € sind auch hier ein fast schon günstiger Preis. Schön, dass dem Kunden vor der Zubereitung das Fleisch auf einem Teller im Rohzustand präsentiert wird. Der Ausdruck "wie gezeichnet", sollte es treffen.


Die Zubereitung dauerte etwas, aber im Hinblick auf das dann Erhaltene - und angesichts des ausgebuchten Restaurants - war das verschmerzbar. Und dann war es soweit. Drei Portionen feinsten Filets, ein Türmchen Ravioli und dazu eine Portweisauce, die ich für mich an die Spitze der bisher gegessenen setze.

Filet auf dem Punkt (Sous vide? Rückwärts? Oder einfach "nur" perfekt? Ein Fleisch, welches endlich einmal nicht verwürzt an den Tisch kam. Ohne zentimeterdickem grauem Rand. Die Option der Nachwürze besteht am Tisch, grobes Salz und geschroteter Pfeffer sind vorhanden. In meinen Augen war dies nicht nötig, da das Fleisch für sich sprach. Auch die Pilzravioli perfekt gegart, die Füllung deutlich zu schmecken und nicht mit endlos Füllmaterial gestreckt, wie es immer öfter der Fall ist. Perfekt.

Wenn man in geselliger Runde sitzt, den Abend genießt und einen neu im Programm befindlichen Grappa testen darf, dann hat man auch Laune auf ein Dessert. Übrigens, der Grappa war so weich, dass man sich nachts damit zudecken möchte. Klare Aromen und fein im Abgang. Nicht vergleichbar mit den ansonsten üblichen Rachenmandel-Betäubern.

Nach einer kurzen Runde durch die dazugehörige Töpferei - HINGEHEN UND ANSCHAUEN!!! - wurden uns die Nachspeisen serviert.

Die süße Variante war eine Crème brûlée dazu Beerengrütze. Ich durfte probieren, war sofort davon überzeugt. 6 € absolut günstig für einen Gaumenschmaus.

Aber, meine Entscheidung für diesen Abend war eine Andere, nicht minder gut schmeckende. Die Weingartenplatte, in der "Version klein". zu 9 €. Käse in Bestform, von einem der führenden Affineure, Waltmann eben. Quasi um das Eck und mit seiner Philosophie passend zu diesem Restaurant.
Grüne Oliven und Streifen von eingelegtem Paprika, ein Schälchen mit Birnen-Apfelgelee. Befeuert mit Chili. Für mich gut (v)erträglich, besonders in Verbindung mit Stücken der Käsesorten. Fett löst bekanntlich das Capsaicin. Schlecht ist das nur für die Schleckermäuler, welche dieses Gelee pur probieren. Dann ist es befähigt, zarteren Geschmäckern den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Aufgabe erfüllt, neben dem Weißbrot eine hervorragende Begleitung. 9 Euro für acht Stückchen Käse? Ernsthaft? Jawohl. Und ich würde es aufgrund der gebotenen Käsequalität wieder und wieder und wieder bestellen. Und wieder.

Kurz noch zu den Toiletten. Eben, gut zu erreichen und auch ausreichend Platz - solange nicht mit einem Rollstuhl angerückt wird. Dafür ist es ein wenig eng, aber nicht unmöglich. Wie im Gastraum zeigt es sich auch in den Toiletten: Feingeister an der Arbeit. Bilder, selbstgestaltete Kacheln. Und Sauberkeit.

Mein Fazit: Wieder und wieder.Jeder Meter Anfahrt ist es wert. Eine Insel der Esskultur und der Fränkischen Getränkespezialitäten. Der Qualität angepasste Preise und doch irgendwo auch günstig. Wer kann schon Lebensqualität in Geld ausdrücken..

Kommentare

  1. Das sieht wunderbar aus, da bekomme ich direkt Appetit. Und auch das innere vom Weingarten macht einen prima Eindruck,gefällt mir.

    G Bianca

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    1. Ja, das ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Oder auch mehrere. Wir haben schon mal ein Event gebucht ;-)

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