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Fischi, Fischi, Fischi....

Auf der Heimfahrt heute hat mich die A73 grob an den oberfränkischen Teichen vorbeigeführt. Zur Herbst- bzw. Kirchweihzeit ist großes Abfischen angesagt. Franken, besonders der Aischgrund, ist für seine Karpfen bekannt, fast berühmt. Ein Großteil der in Deutschland verkauften Fische kommt aus unserer Region. Die Viecher werden in Teichen in Ruhe gelassen, wachsen fein vor sich hin und danken es bei der Ernte mit einem Geschmack, der fast einzigartig ist. Ich muss mich outen: ich mag nur das ausgelöste Filet, am liebsten als Pfefferkarpfen. Karpfen blau oder gebacken ist nichts für mich. Da können die angeblich so leckeren Karpfenbäckchen noch so sehr locken.

Wie auch immer, ein wenig Wehmut nach vergangener Zeit wurde in mir geweckt, als ich noch jährlich beim Abfischen mit dabei sein durfte.

Der ehemalige Chef meines Vaters hat im Coburger Landkreis eine "die Ranch" genanntes Stückchen Idylle sein Eigen genannt. Ein paar Hektar Land mit Wald und einem kleinen Wasserlauf. Darauf ein gemauertes Holzhaus, daneben die Weinstube. Für uns Kinder - wir sprechen hier von den auslaufenden 1970er und anfangenden 1980er Jahren - war das ein Paradies. Wasser, Wald, Tiere, Abenteuer pur.

Die Erwachsenen waren eher dem toll bestückten Weinkeller zugeneigt und der in der anschließenden Ortschaft ansässigen Dorfkneipe, den Schramms. Übrigens hat da in diesem Weinstübchen meine Schwester ihren ersten Rausch davon getragen, mit vier Jahren. Vielleicht könnte man so manches spätere Verhalten erklären. ;-) Natürlich ist ihr kein Wein eingeflößt worden; der im Vorjahr selbst gekelterte Apfelsaft war schlicht und einfach vergoren und hatte die Bakterien haben den Zucker gegessen und den Alkohol gepinkelt. Hat da schon mal jemand darüber nachgedacht? Auch, dass die Bakterien Gase auspupsen? Nein? Ist aber so, ich wünsche viel Genuss beim Feierabendbier ;-) Früher war ein Leitspruch "Hygienigkeit ist eine Zier, schneller geht es ohne ihr!" Grammatik ist nicht so des Franken Ziel.

Wir Kinder waren beim Abfischen gerne gesehen, waren wir doch leichter und konnten im Schlamm weiter vordringen, als die meist bierbäuchigen Abfischer. Und wenn wir stecken geblieben sind, dann wurde uns einSeil mit Latte daran zugeworfen. Recht schamlos hat man uns erst aus und dann durch den Schlamm an Land gezogen. Abfischen war da noch ein Erlebnis. Freitag wurde mal eben ein Schild an die Firma gehängt "Heute geschlossen": Wer vor der Tür stand, der hatte Pech. Wer bestellen wollte, der konnte das am Montag nachholen. War alles kein Problem zu dieser Zeit. Mach das mal heutzutage. Die komplette Belegschaft war da in Richtung Teiche unterwegs. Extra Lohn für den Mehraufwand? Mittagessen, Bier satt und einen Karpfen je Abfischer.

Zwei VW-Busse T2 wurden gepackt, in jedem stand eine große Wanne mit Frischwasser, drei Mann auf den Vordersitzen, zwei Mann neben der - ungesichert transportieren - Wanne. Diese wurde bei offener Seitentür transportiert, über die Landstraße mit locker mal 80 km/h. Die im Laderaum hatten die Hände in den Wannen und immer fleißig gerührt. Klar, die Fische wollten ja auch Sauerstoff im Wasser haben. Wie gefährlich das war, das hat niemanden interessiert. Uns Kinder am wenigsten, wir haben wohl mit roten Bäckchen am meisten gerudert.

Die Busse wurden möglichst nah an den Teichen platziert, mehr Arbeit als unbedingt nötig wollte sich niemand machen. Am Vortag wurden meist die Enten vom See mit Luftgewehren geschossen, dienten dann Mittags in knuspriger Version den Männern als Mahl. Für uns Kinder gab es Schnitzel mit Pilzsahnesoße und Kloß. Eigentümlich aber lecker. Kleine Riten am Rande, über Jahre gewachsen. Auch das Wasser war weitgehend abgelassen, die Verschlussstopfen (Kegel oder Mönch genannt) gezogen und ein Netz vor dem Ablauf gespannt. Übrig blieben je Teich gut 70 cm Schlamm und zwei bis drei Tümpel, in denen sich das beliebte Gut gesammelt hat.

Die Teiche waren ein reines Hobby und für den Besitzer prima Vorwände, die es sicher gestellt haben, dass er sich da mit seiner Gespielin treffen konnte. Erst ein paar Jahre vor seinem Tod habe ich damals erfahren, dass die Frau, die auch mit ihm und uns im Urlaub war, nicht seine Frau sondern seine Freundin war. Jeder wusste das, niemanden hat es gestört. Ach ja, Fisch mochte er nicht essen, nur Fleisch.

Nach ein oder zwei Bierchen (für die Erwachsenen, für uns gab es - Apfelsaft ;-) ging es dann los. Rein in die Fischerhosen, die in den Jahren mehr als ein Loch eingefangen haben. Irgendwann war dann, je nach Lage der Löcher, die Hose bis zum Knie oder zur Hüfte vollgelaufen. Raus aus dem Teich, ausschütten, wieder rein. Bei herbstlichen Temperaturen. Im Frühjahr wurden meist um die 250 bis 300 Setzlinge in die Teiche gegeben. Ein paar wurden Opfer der Bisamratten, ein paar hat der Reiher geholt, ein paar haben einfach keine Lust auf weiterleben gehabt. So um die 70 bis 100 Fische waren dann immer übrig. Und wie oft habe ich in kleine Knopfaugen am Teichrand gestarrt.

Und die Fische, die im Schlamm oder weiter hinten oder einzeln gelegen haben, die "durften" wir Kinder "retten". "Den musst du fangen, sonst stirbt der." Abfischerhumor. Hätten wir ihn nicht gefangen, hätte der Fisch ein weiteres glückliches Jahr mit Gebäck verbracht. Gebäck? Ja! Damals gab es noch den Konditor in der Coburger Spitalgasse. Wir Kinder haben eine Mark bekommen, fünf Mark um die Rechnung zu bezahlen. Dafür haben wir zwei große Bäckersäcke mit altem Gebäck, Brötchen und Broten erhalten. Obenauf war meist Gebäck vom Vortag, das Essen sauber und meist genauso lecker wie das gekaufte. Wie oft gab es für uns Plunder und "Mohrenköpfe", die eigentlich mit Sahne gefüllt worden wären. Lecker und umsonst. Und die Fische waren auch billig ernährt. 

Rein in die Wannen, wir Kinder wieder nach hinten. Das Abfischen war fertig. Rühren, rühren, rühren. Mit Elan waren wir dabei und wussten, dass am Abend wieder ein Fisch bei uns in die Wanne einziehen würde. Beim Schlachten waren wir nicht dabei, nur noch beim Umsetzen in die Hälterbecken, in denen der Karpfen angeblich den modrigen Geschmack verliert. Unser Karpfen hieß von Jahr zu Jahr Fridolin, zumindest wurde uns erzählt, dass er auf Besuch und Urlaub bei uns wäre, dann durch den Abguss zurück in den Teich schwimmen würde. Und den anderen Fischen erginge es auch so. Nicht lachen, die meisten Menschen haben ja auch mal an den Weihnachtsmann und den Osterhasen und die versprochenen Steuersenkungen geglaubt. Und das waren nicht immer kleine Kinder. QED!

Wer schnell genug war, der konnte anhand des Wasserverlustes der Wannen und der damit hinterlassenen Spur genau sehen, wohin die kleine Kolonne fuhr. Zum Schnitzel und den Bratenten. Ein Bierchen, zwei Bierchen, drei oder acht - alles kein Problem zu dieser Zeit. Denn: die meisten Polizisten haben ihre Wochenenden oft im Garten meiner Eltern verbracht. Mit Streifenwagen und in Uniform. Lange ist es her, dass in dem Garten oft drei oder vier Streifenwagen vor Ort waren und auf der Terrasse vor der Hütte die Uniformierten saßen. Natürlich bei Limo und Wasser ;-) Das ist aber mal eine andere Geschichte.

Unser Fridolin durfte dann in seinem Emailebehältnis Platz nehmen, wir Kinder haben den natürlich - unerlaubterweise - mit allem Leckeren gefüttert. Kekse, Schokolade, Gras, alles, was ein Graskarpfen eben so nach Kinderglauben gerne ist. Pudding haben wir nur einmal gefüttert, das gab mächtig Ärger. Und der Fisch musste eher seinen Urlaub bei uns abbrechen und nach Hause schwimmen. Heute weiß ich natürlich, dass der Fisch nicht zurückgeschwommen ist, er wurde gefahren. Da bin ich mir ganz sicher ;-)

Die Woche darauf war dann Kirchweih im Dorf, bei der ein Großteil der Fische von den Gästen verspeist wurde. Wir hatten natürlich Schnitzel. Was sonst. Und Cola. Irgendeine Brühe, die vom Brauhaus wohl aus Sparsamkeitsgründen selbst hergestellt wurde. Aber, es hat gewirkt, wir Kinder wollten nur wenig Cola, denn die hat grausam geschmeckt. Erziehungsziel erreicht, Kinder kuriert.

Ein Jahr später dann durften wir den Fridolin wieder mit nach Hause nehmen, bis zum Ende der 1980er Jahre das Abfischen aus Gesundheitsgründen des Besitzers eingestellt wurde. Schade, mir fehlt das schon, auch wenn ich kaum Karpfen in meinem Leben gegessen habe, heute auch nicht mehr abfischen könnte. Aber es war lustig. Und eine Episode aus der Zeit "unbeschwert". Vor zwei Jahren war ich zuletzt dort vor Ort, habe mir das mal von außen angeschaut. Zwischenzeitlich ist das Gelände verkauft, ich habe mich nicht getraut, es zu betreten. Komplett zugewachsen, ungepflegt, die Teiche verlandet und nichts mehr zu sehen vom Glück meiner Jugend.

Kommentare

  1. Hast du schon das Karpfenfilet von der Staffelsteiner Hopfenmühle (Ellner) probiert.Das gibt es wahlweise auch " entgrätet".Das wird entgrätet und zusätzlich durch so eine Art Steaker gelassen der eventuell noch vorhandene Gräten zerhackt.Da auch das Filet mit gehackt wird und eigentlich nur noch an der Haut zusammen hängt ist beim Braten Vorsicht geboten.
    Wird aber bei uns vor allem von älteren Leuten sehr gut angenommen.

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  2. Ist das die Mühle links vor der Ortseinfahrt wenn ich aus Richtung Ützing/Horsdorf komme? Wenn ja, die machen einen leckeren Räucherlachs und da habe ich auch mal eine Forelle mitgenommen. Karpfen selber machen.... Ne, lieber nicht. Und für Einen alleine ist das zu viel Aufwand.

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  3. Erinnere mich daran, dass ich einen "Aufsatz" zum Thema Kindheit suche und zum Besten gebe, jetzt gerade find ich den nicht.

    Schön, das zu lesen! Ich hab übrigens als kleines Mädchen nur Scholle gegessen an Fisch. Natürlich war meine Mutter so clever und hat zu JEDEM Fisch gesagt, das ist Scholle, egal, ob's nun Hering oder Schellfisch oder sonst ein Fisch war.

    Unser Fischzüchter räuchert auch ein paar Mal im Jahr, auf Vorbestellung. In den Aal könnt ich mich reinlegen! Und im Kühli liegt grad noch ein Rest vom Lachs, die Forelle ist schon aufgefuttert *sabber*, geht doch nix über Räucherfisch.

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  4. Oh, ich räuchere manchmal selber, hab´ da so einen Ofen dazu. Da geht Fisch rein, auch "Wammerl" und Lende. Einen Mozzarella wollte ich auch mal räuchern, mit Stroh nach italienischem Vorbild. Ging das in die Hose ;-)

    Die Schollenidee war aber gut. "Schau, kleine brisy, heute haben wir zum Mittag eine Walscholle...." ;-)

    Eltern sind schon manchmal recht erfindungsreich. Aber geschadet hat es uns ja nicht wirklich.

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  5. Ja das ist Sie.Ist doch kein großer Aufwand ein einzelnes Filet zu machen.Brauchst nur noch würzen in Mehl oder panierenund braten.Auch blau funktioniert mit den "gesteakerten" ganz gut.
    Und du merkst garantiert keine Gräten.

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  6. Was ist denn Wammerl? Hört sich an wie ne Krankheit *gg*.

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  7. Wammerl ist ein heißgeräuchertes Stückchen Schweinebauch. Oft auch mit einem leichten Geschmack nach Wacholder.

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