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Rapido Rapido

Letztes Jahr, also 2009, im Juni - da haben wir noch zusammen gefeiert. Ein paar Bekannte, meine Eltern und wir M und ich. Alles noch prima in Ordnung, auch mein Vater hat gut am Leben teilnehmen können. Kurz darauf kam dann ja der Zusammenbruch in der Sauna, sein bester Freund hatte ihn erst nach gut 45 Minuten vermisst. Dies war der Auftakt zu einer Reihe von Arztbesuchen, Klinikaufenthalten und dem körperlichen Verfall im Eilschritt.

Die extreme Dehydrierung konnte mit Flüssigkeit wieder aufgefüllt werden, nach ein paar Tagen auf Intensivstation und im Zimmer war es dann soweit, die Entlassung stand an. Zur Sicherheit haben wir auch einen Arzt besucht, welcher als Kapazität auf seinem Gebiet gilt. Dass dabei hunderte kleiner Minischlaganfälle übersehen wurden und massig totes Hirngewebe - das kann bis heute niemand erklären.

Die nächsten Stationen waren dann das Klinikum in Hildburghausen, nachdem der Terror durch meinen Vater- bedingt durch das Krankheitsbild - gegen Freund und Feind immer schlimmer wurde. Dann Kutzenberg (Psychiatrische Klinik zur Einstellung der Medikamente) und seit Dezember 2009 der Aufenthalt in der beschützenden Station. Zu Deutsch: weggeschlossen auf amtsrichterliche Weisung ohne Chance auf Wiederkehr.

Dort, im EUGERIA-Heim in Kutzenberg hat mein Vater sich anfangs zusehend erholt. Gewichtszunahme auf eine Figur, die einem MItteleuropäer seines Alters entspricht, einfache Sätze konnten wieder gebildet werden, auch der eigene Wille kam manchmal wieder aufflackernd zutage. Eigentlich waren wir alle glücklich. Mein Vater hatte die beste (leider auch teuerste) Pfelge, die man bekommen konnte, er fühlte sich schnell heimisch, das Pflegepersonal war herzlich und verbindlich.

In den letzten Wochen trat aber dann ein frapierender Verfall ein. Antworten auf Fragen? Keine. Appetit? Vorher bis zu zwei Portionen zum Mittag - nun kaum noch Lust zu essen.

Und in der letzten Woche dann der Abschuss, der mich am menschlichen Verstand zweifeln lässt. Sonntag, es war einer der wärmsten Tage dieses Jahres. Meine Mutter hat meinen Vater besucht, diesmal schon um die Mittagszeit, eben wegen der Temperatur. Und sie findet meinen Vater im Bett, Zuckungen im Gesicht und nicht mehr ansprechbar. Sofort hat meine Mutter die Schwesternschaft dazugezogen, als Auskunft kam: "Er hat auch Mittags schon nichts gegessen, der Arzt ist gerufen." Ich dachte, der Notarzt wäre gemeint. Um gegen 15 Uhr dann ein Anruf von mir bei meiner Mutter, was denn nun wäre. Auskunft: kein Arzt da, nur der diensthabende Arzt wurde benachrichtigt, dieser kommt aufgrund der Wetterlage nicht herum. Merke: alte Leute in Seniorenheimen haben keine Priorität. Meiner Mutter habe ich dann mitgeteilt, dass ich nun noch zehn Minuten Zeit gebe, bis ein Notarzt im Haus eintrifft. Dazu muss man wissen, dass ein Klinikum nur gut 200 Meter neben dem Seniorenheim liegt. "Ach, der Arzt kommt gerade, ich melde mich dann..." war das letzte, was ich hörte. Und ich war irgendwie beruhigt.

Eine Stunde später, mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, habe ich dann wieder im Seniorenheim angerufen. Um zu hören, dass mein Vater nun schon fast vier Stunden mit Krämpfen im Bett liegt und nicht ansprechbar ist, kein Notarzt verständigt wurde. VIER STUNDEN verlorene ZEIT! Für mich gab es keine andere Möglichkeit, ich habe die 19222 angerufen, von zu Hause aus den Notarzt organisiert.

Später dann hat meine Mutter erzählt, dass der diensthabende Arzt zeitgleich mit dem Auflegen durch mich im Heim eingetroffen war. Diagnose: Schwächeanfall, dagegen gab es Tabletten, sonst wäre nichts weiter nötig. Und eine weitere Patientin wäre ebenfalls an den gleichen Symptomen erkrankt.

Glücklicherweise sind sich Notarzt und Hausarzt auf der Treppe nicht mehr begegnet, so dass der Notarzt zusätzlich kam. Diagnose: schwere Dehydrierung, Kreislaufkollaps, sofortige Einweisung in das Krankenhaus. Eine Überwachung der Vitalfunktionen im stationären Bereich wäre dringend notwendig. Der Hausarzt war übrigens auch für die zweite Patientin gerufen worden.

Im Krankenhaus gab es dann weitere Infusionen, Aufbaupräparate und ein Schlafmittel, welches das Dasein erleichtern sollte.

Sprung in diese Woche:

Die Frau, die ebenfalls mit meinem Vater erkrankt ist, das gleiche3 Krankheitsbild aufwies - ist gestorben.
Mein Vater ist nicht mehr ansprechbar, muss nun gefüttert werden, braucht Stützung beim Laufen und hat das Sprechen komplett eingestellt. Die Vermutung des Notarztes: wieder einmal ein Hirnschlag, diesmal wohl ein Größerer. Ausgelöst durch den Flüssigkeitsmangel und die lange Zeit die verging, bis HIlfe kam. Das Ergebnis: eine Hülle mit gesunden Organen aber ohne jeglichem Interesse am Leben.

Uns stellt sich nun die Frage: wer hat versagt? Das Personal im Heim? Wir? Leichter wird sein Aufenthalt im Pflegeheim dadurch nicht. Weder für ihn noch für uns....

Kommentare

  1. das ist entsetzlich... mir fehlen die worte.

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  2. Ah oh, ... so darf es natürlich NICHT zugehen! Das sagt `s Pupe, die Krankenschwester ist und auch schon in einem Pflegeheim gearbeitet hat.

    Im Pflegeheim, kenne ich es so, das jeder Pat. seinen Hausarzt hat, der hinzugezogen wird und wenn nicht greifbar, dann eben 19222 gewählt wird bzw. dieser Bereitschaftsdienst.
    Kutzenberg, ist doch aber auch kein Haus der Akutversorgung, wie z. Bsp. LIF.

    Das einige Zeit nichts unternommen wurde, ... finde ich auch nicht in Ordnung!

    ... laßt euch im weiteren Procedere BITTE nichts "aufschwatzen"! Wenn Deine Papa nun in einem Zustand "lebt" der kein Leben mehr ist - und er dies vielleicht auch nie so wollte - würde ich ihn in WÜRDE gehen lasse. Bitte VERZEIH diese Wote von mir, wo man sich auch nicht kennt, aber ich kenne das LEID dann auch nicht gehen/sterben zu dürfen, ...

    LG & Kopf hoch!
    Pupe

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  3. @Gela: Ja, ich habe auch überlegt, was ich davon halten soll.

    @ PUPE*S: Mein Vater hat auch einen Hausarzt, der hatte jedoch an betreffendem Sonntag keinen Notdienst. Somit wurde wohl irgendein Bereitschaftsarzt angerufen. Der war natürlich bei Temperaturen weit über 30° überlastet. Warum dann die 19222 nicht gewählt wurde? Kann mir keiner sagen, jeder versteckt sich scheinbar hinter den Anrufen bei dem Diensthabenden. Für mich ist das ein klares Versagen. Im Nachhinein wurde uns mitgeteilt, dass man "aus der Sache" gelernt habe und "fix und fertig" sei deshalb. Meinem Vater bringt es seine Lebensqualität aber nicht zurück.
    Kutzenberg hat keine Akutversorgung, ich bin mir aber sicher, dass in so einem Fall auf dem kleinen Dienstweg was zu machen gewesen wäre. ZUmal ja auch der Notarzt aus LIF in kürzester Zeit vor Ort war und vorbildlich reagiert hat.

    Mein Vater hat immer gesagt:"Bevor ich in ein Seniorenheim gehe, bringe ich mich um..." Das ist natürlich für uns keine Option. aber wenn wir irgendwann mal vor der Entscheidung stehen, werden wir in seinem Sinn entscheiden. Das sind wir ihm schuldig. Nur SO SCHNELL hätte es nicht gehen dürfen.

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  4. Es ist doch eine Riesensauerei!!!! Es gibt keine Entschuldigung dafür, daß Menschen in teuer bezahlten Heimen nicht die adäquate Pflege erhalten. Es muß möglich sein, die Leute mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Ich bin total wütend nach dieser Lektüre. Immer wieder sowas, und das meiste erfährt man ja nicht mal.
    Ich wünsche dir und euch allen viel Kraft!

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  5. @yael: Zumal das ganze ja unnötig war. Mein ater trinkt, was man ihm vorsetzt. Meist muss man ihn gar bremsen. Und einen Anruf beim Notarzt hätte ich auch erwartet, wenn es ein "Billigheim" gewesen wäre. Für mich ein klares menschliches Versagen.

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  6. Mir fehlen auch die Worte und es tut mir so leid, dass es dazu kommen musste.
    My very best wishes to you, your family and your dad.

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  7. Hallo!
    Da hat das Pflegepersonal wohl durch totales Versagen "geglänzt".
    Wäre dein Vater in "unserem" Heim gewesen, wäre das garantiert nicht passiert. Denn wir erkennen, wegen der großen Erfahrung des Personals eigentlich immer Notzustände. Also einen Zustand der sofortiges eingreifen durch Ärzte erfordert.
    Leider gibt es im Berufsstand der Altenpflege einige faule Birnen.

    Allerdings ist der Notruf leider auch nicht immer die Rettung. Da Ärzte auch versagen bzw. sich als unfähig erweisen.
    Mit lieben und mitfühlenden Grüßen
    Roland Därr
    (Euroman)

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